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Mit einem Fluchtkoffer Richtung Westen

Interview zum Jubiläum „90 Jahre Suter Dental Labor“.

Von Rainer Wälde

Während des Jahres zum 90 jähigen Bestehen des Suter Dental Labors, veröffentlichen wir je einen Beitrag zum Thema "gestern - heute - morgen". Der Fernsehjournalist Rainer Wälde führte hierzu Interviews. In dieser Ausgabe erscheint ein Beitrag "gestern". Ein Rückblick auf die familiären Ursprünge des Unternehmens.

Lass uns mal einen Sprung 90 Jahre zurück machen. Was wurde in eurer Familie überliefert, wie euer Großvater angefangen hat?

Karen Suter: Opa Johannes war ein Einzelkind, aufgewachsen als Sohn eines Viehhändlers. Mein Großvater hat bei einem Dentisten die Ausbildung zum Zahntechniker gemacht und hat dann sehr schnell die Selbstständigkeit angestrebt mit seiner Frau zusammen. Oma Martha hat mit ihm das Unternehmen aufgebaut. Beide waren sehr fleißig und auch tüchtig.

Johannes Suter wurde 1945 zur Flucht aus Ostpreußen gezwungen.

 

Johannes Suter, Zahntechnikermeister. Er galt als jüngster Bezirksmeister im Kreis Allenstein / Ostpreußen

Karen Suter: Er hat als Sanitäter und Offizier gearbeitet, hat auch viele medizinische Dienste geleistet, was ihm dann auch nach dem Kriege von Vorteil war. Das hat sehr viel Prägendes bei ihm hinterlassen: Als er nach dem Kriege in Bremervörde anfing, ist das Unternehmen verhältnismäßig klein geblieben. Diese prosperierende Idee war damals in Allenstein, ein großes Labor zu etablieren. Diese Pläne hat er mitgenommen, aber nie in die Tat umgesetzt. Als er dann nach dem Krieg in Bremervörde wieder anfing, ist er klein geblieben und erst viel später hat mein Vater den Betrieb vergrößert und weiterentwickelt.

Wie würdest du die Persönlichkeit deines Großvaters beschreiben?

Karen Suter: Er war warmherzig, allwissend und sehr bedacht. Johannes Suter war ein dicker Opa, wir haben immer sehr viel Spaß gehabt bei ihm. Wir wurden oft bei meinen Großeltern untergebracht. Die wohnten relativ auf Nachbarschaft mit uns. Es gab also eine gute Enge und dadurch eine sehr positive, warmherzige Beziehung.

Für viele Menschen ist die Flucht aus ihrer Heimat sehr traumatisierend. Johannes Suter musste die Familie vorschicken und einige Zeit noch allein in Ostpreußen bleiben.

Karen Suter: Viel drüber gesprochen hat er nicht. Seine Mutter hatte Dienst im Munitionsdepot in Hesedorf bei Bremervörde. Deshalb war klar, dass man dahin ging, weil das der Anlaufpunkt war. Die kleine Schwester meines Vaters saß bei der Flucht noch in der Karre und auf einem Koffer, in dem alle Habseligkeiten eingepackt waren. Alle wichtigen Dokumente, noch ein bisschen Silber. Jeder hatte das, was er am Leibe hatte, wirklich nur das Allernötigste. Alles andere blieb zurück.

Dieser Flucht-Koffer existiert auch noch. Ein bisschen mehr gefüllt mit alten Fotos und Erinnerungen. Aber den gibt es noch. Nach dem Krieg musste Opa Suter seine Sachen zusammensuchen, um dann überhaupt starten zu können?

Karen Suter: Direkt nach dem Krieg kamen sie beim Pfarrer unter, quasi im Stall. Da war irgendwie eine Ecke frei und meine Großeltern bekamen ihren Platz zugewiesen, wie das so damals gemacht wurde. Opa Johannes hat sich über Wasser gehalten, indem er Zähne gezogen hat und medizinische Dienste geleistet hat, weil er das konnte.

 

Einen Zahnarzt gab es in der ganzen Gegend nicht und so fing er an. Als er dann in Bremervörde das Unternehmen wieder angemeldet hat, hat er gesagt Laboratorium für Zahntechnik. Doch diese Betriebsbezeichnung war in dieser Gegend bislang nicht bekannt. Seine ersten Zahnarzt Kunden waren in Hamburg. Da wurden die Päckchen per Post hingeschickt.

Wie kam er als Ostpreuße mit der Mentalität in Bremervörde zurecht?

Karen Suter: Das war anfangs ziemlich schwer. Es gab eine große Abwehrhaltung: Wir haben euch nicht gerufen, euch brauchen wir hier nicht. Also das war sehr, sehr schwer. Es gab aber auch andere Freunde, die geflohen sind. Mit denen tat man sich zusammen. Aber eigentlich haben meine Großeltern sich immer bemüht, sich zu integrieren, haben auch Freundschaften geknüpft, waren aktiv im Chor und auch im Sport. Sie wurden schon früh für meinen Vater und seine Geschwister zum Klavierlehrer. Es gab ein Klavier im Haus. Damit hat man sich doch stark integriert und aktiv eingebracht. Der Bezug zu den Künsten war schon immer in der Familie.

Spürst du noch etwas von diesem ostpreußischen Erbe - vielleicht in Sachen Präzision oder Disziplin?

 Karen Suter: Das kann ich so gar nicht ausmachen, aber wir sind mit dieser Ostpreußischen Haltung und dieser Erinnerung an die alte Heimat großgeworden. Mit dieser familiären und auch unternehmerischen Prägung sind wir als Familie mit Herausforderungen sehr sachlich umgegangen. Ein bisschen Fels in der Brandung, das ist das, was das Ostpreußen vielleicht auch auszeichnet. Sehr zielstrebig. Eines der wichtigsten Zitate vom Großvater lautet: Geht nicht, gibt's nicht, heißt will nicht.

Wie viele Jahre hat dein Großvater das Unternehmen in Bremervörde aufgebaut?

Karen Suter: Mein Opa hat das Dentallabor bis 1974 geleitet. Er wollte sich dann auch zurückziehen und sich seinem Hobby dem Gärtnern und den Rosen widmen. Zudem liebte er Hunde. Fox Terrier waren seine Leidenschaft. Er hat sich gefreut, auch ein bisschen Technik auszufahren und in Kontakt zu bleiben. Sein Hund kam dann auch immer mit.

Was war der größte Verdienst von deinem Opa für das Unternehmen?

Karen Suter: Opa Johannes ist ein ehrlicher Mensch gewesen, er hat das Wort, was er gesprochen hat, auch gehalten. Handschlag war Handschlag. Er war sehr genau, fleißig und tüchtig. Aber er konnte auch sehr lustig sein und war mit Humor und Spaß dabei. Geselligkeit und ein starker Zusammenhalt in der Labour Mannschaft – das war ihm wichtig.

Nun geht das Ganze nicht ohne solch eine starke Frau. Deine Oma hat im Labor auch mitgearbeitet.

Karen Suter: Sie hat die Buchhaltung gemacht. Im Hintergrund alles Mögliche versorgt, gekümmert, was Frauen so machen. Es gab drei Kinder, dazu ihre eigene Mutter im Haus. Oma hatte früh eine Zugehfrau, die im Haushalt gewirtschaftet hat. Als Ehefrau hat sie dann immer die Konten und die ganzen Finanzen gemacht, Rechnungen bezahlt. Ein Satz existierte, wenn irgendwas angeschafft werden sollte: Können wir uns das eigentlich leisten? Haben wir denn Geld auf der Kasse? Und dann konnte Oma sagen: Ja, es gibt Geld in der Kasse, das können wir kaufen.

Mit deinem Papa Burkhard kam dann ein Generationswechsel. Dazu der technische Fortschritt.

Karen Suter: Das ging einfach durch die Decke, würde ich sagen, weil mein Vater natürlich diese Kriegslücken nicht miterlebt hat und viel Größeres vorhatte. Man muss dazu sagen, dass das Gesundheitssystem damals noch sehr gesund war. Es gab die hundertprozentige Versorgung, ganz egal welche Art von Versorgung man gewählt hat beim Zahnersatz. Das war gewinnbringend. Deswegen war die Investitionsbereitschaft extrem groß. Mein Vater hatte auch einen guten Kollegen an der Seite. Die beiden hatten einfach tolle Ideen, die waren dynamisch, da wurden zahlreiche Kunden dazugewonnen.

Hast du noch Erinnerungen als kleines Mädchen an die erste Digitalisierung?

Karen Suter: Mein Vater hat die digitale Technik eingeführt und einen Computer. Als Grundschüler konnte ich darauf Hase und Igel spielen. Doch es gab ein Problem: Auf so riesengroßen Floppy Disks konnte alles nicht gesichert werden. Man musste das mit Maschine schreiben, mit Durchschlag Papier. Das war rosa, grau und weiß: Die rosa Durchschläge fand ich als Grundschule Mädchen natürlich schön, manchmal auch leider das Original, so dass mein Vater dann noch mal neu Rechnung schreiben musste. Er hatte irgendwann, als ich noch Schülerin war, ein riesigen D1 Knochen und so ein mobiles Telefon mit Koffer unten dran. Herrlich!

Wie war deine Kindheit, in einem Unternehmen aufzuwachsen? Welche Auswirkungen hat es auf euch als Familie?

Karen Suter: Als Kind habe ich das nicht reflektiert. Meine Mutter ist ähnlich groß geworden. Die Großeltern mütterlicherseits hatten ein Autohaus in Gelnhausen bei Frankfurt, das hat meine Tante damals dann übernommen und weitergeführt. Von daher bin ich in diesem Unternehmer Dasein immer schon unterwegs gewesen. Nach der Schule bin ich zu Fuß ins Labor. Es war wirklich drei Minuten um die Ecke, ich habe im Lager gespielt und dann immer irgendwelche Dinge verbrochen. Ich habe mit dem Finger im Kunststoff gerührt und habe den Zahntechnikern auf der Schulter gesessen und Fragen gestellt. Also ich war dabei und habe viel miterlebt.

Wann ist bei euch in der Familie die Entscheidung gefallen, dass du das Unternehmen fortführen sollst?

Karen Suter: Die Entscheidung habe ich erst später getroffen, nachdem ich sie vorher immer abgelehnt hatte. Meine Eltern haben das nie von uns verlangt. Zugeben, ich war keine fleißige Schülerin. Ich habe wie viel gelernt fürs Leben, aber nicht für die Schule und wollte eigentlich wegkommen. Früh wollte ich BWL studieren, irgendwas Unternehmerisches tun, aber ich hatte aber keine konkrete Vorstellung. Dann bin ich erst mal in eine Ausbildung gegangen und habe bei Wempe in Hannover begonnen - nur für ein Jahr. In dieser Zeit in habe ich mich sehr viel mit meinem Vater getroffen, weil er alle 4 Wochen dort zur Vorstandssitzung der Niedersächsischen Zahntechniker-Innung gefahren ist. Da haben wir uns ausgetauscht und er hat erzählt, was sie machen und wie es irgendwie weitergeht. Dabei habe ich irgendwann für mich entschieden. Warum eigentlich nicht doch Zahntechnik? Das konnte ich mir konkret vorstellen, weil ich es ja immer erlebt habe. Meine Ausbildung habe ich im Labor Paul Hirsch in Hannover-Laatzen gemacht. Das sind gute Freunde und Kollegen, die mein Vater über die Innung schon jahrelang kennt.

Sich mit Kollegen zu vernetzen, scheint in deinem Leben ein wichtiger Baustein zu sein?

Karen Suter: Ich denke schon. Du kannst immer nur von anderen lernen, die es besser machen oder anders machen und dir einen neuen Impuls geben. Diesen Austausch mit anderen, die auch Verantwortung dafür tragen und den Kopf dafür hinhalten müssen, finde ich sehr wertvoll. Man kann so viel dazu lernen. Es ist nicht nur der der ganze fachliche Input, sondern auch der ganze Berufspolitik Input. Dazu viel mehr Kontakte, weil jeder kennt in der Branche irgendwie wieder jede

War es nie eine Option, dass dein Bruder den Betrieb übernimmt?

Karen Suter: Mein Bruder hat leidenschaftlich gerne Musik gemacht, wollte schon immer Musik studieren, hat sich aber nicht getraut. Dann hat er Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert, zeitgleich mit meiner Ausbildung in Hannover angefangen. Wir waren uns immer sehr nahe und sind uns auch noch immer sehr ähnlich. Später hat er Musik studiert in Hilversum und Amsterdam: Jazz-Gitarre. Damit war klar, dass er nicht mehr in die Firma einsteigen wollte.

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Tag als Chefin?

Karen Suter: Ich bin vor Beendigung der Meister Ausbildung schon kurz zurückgegangen nach Bremervörde und habe da gearbeitet. Gleichzeitig habe ich alle Teile der Meisterprüfung gemacht, das meiste in Hannover, den Abschluss in Halle an der Saale. Zu Trainings Zwecken bin ich noch mal nach Hause gegangen und habe richtig geübt und gelernt. Von daher war ich schon so ein bisschen in der Mini Chef Rolle. Zudem war ich schwanger. Bei der Meisterprüfung unsere Tochter bereits unterwegs.

Wie war für dich der Rollenwechsel von der Unternehmertochter zur Vorgesetzten, die auch die gesamte Verantwortung trägt?

Karen Suter: Das war ein schleichender Prozess, ich kannte unsere Mitarbeiter schon lange und bin mit sehr vielen auf Du und Du gewesen. Von daher war das ein sehr wohlwollendes Miteinander. Mein Vater hat viele Aufgaben in technischer Hinsicht, die ich besser konnte, die auch viel moderner und neuer waren, mir überlassen. Ich habe mich in Ruhe eingearbeitet und das haben wir auch dann weiter so beibehalten. Zudem hatte ich großen Respekt davor, weil es so ein Paradigmenwechsel ist. Von Alt auf Jung, von Mann und Frau. Glauben die mir das eigentlich? Bin ich dem gewachsen? Aber das hat sich natürlich gezeigt, dass ich das kann. Aber ich war da sehr skeptisch zu Anfang, ob ich dem wirklich so gewachsen bin. Aber es natürlich auch Reibungspunkte gegeben hat, da waren wirklich zwei Generationen gemeinsam am Werk.

Wie bist du als junge Chefin in die Mitarbeiterführung hineingewachsen?

Karen Suter: Wir sind aufeinandergetroffen, als junge Meisterin, als junge Chefin bist du ja noch gar nicht qualifiziert. Auf der einen Seite noch Fachidiot, gleichzeitig stolz wie Bolle, dass du das jetzt hast. Aber ich hatte in dieser Hinsicht noch überhaupt gar keine Erfahrung mit Mitarbeiterführung oder mit unternehmerischen Entscheidungen. Da musste ich erst mal hineinwachsen und dann das übernehmen, so wie Papa das gemacht hat. In der Reflektion habe ich gemerkt: Nein, das würd ich aber anders tun. Oder will ich das eigentlich so? Unser Prozess hat darin bestanden, dass wir feststellen mussten, dass der Stil der Vorgänger nicht immer der ist, der zu einem selber passt.

Welche Unterstützung hast du in diesem Prozess von außen erfahren?

Karen Suter: Mein Mann ich haben ganz viel durch Training, Fortbildung, Mentoring, in den letzten 20 Jahren dazu gelernt und uns weiterentwickelt. Parallel dazu kamen die Kinder, dann lag der Fokus natürlich auch auf ihnen. Erst als die Kinder größer waren und ein bisschen mehr allein gelassen werden konnten wir uns wieder mehr um Fortbildungen kümmern.

Während der letzten Jahrzehnte hat sich in der Branche auch sehr viel verändert?

Karen Suter: Es gab Veränderungen des Arbeitnehmer-Marktes. Wie gehst du mit deinen Mitarbeitern um? Schaffst du es, aus einem Unternehmen einen Organismus zu machen? Ich glaube, das unterscheidet sich deutlich von den Vorgängergeneration, ohne das bewerten zu wollen. Heute sind die Bedürfnisse der Menschen, die in einem Arbeitsorganismus arbeiten, ganz andere als damals. Was vor 40 Jahren ging, wird heute sicherlich nur kurzen Erfolg haben. In diesem Wandel bist du als Unternehmer oder Führungsperson gefordert, dich ständig weiterzuentwickeln, genauso wie du dein Unternehmen weiterentwickeln musst. Ich glaube, das ist ein ganz großer Aspekt, der auch in Zukunft viel Raum einnehmen wird und erfolgreiche Unternehmen von normalen Unternehmen unterscheidet. Schaffst du es aus deinem kleinen Kosmos einen gesunden Organismus zu machen, der auch erfolgreich ist?

Das Interview "gestern - heute - morgen"     Teil 2 des Gesprächs erscheint in der kommenden Ausgabe

Das Interview führte der Fernsehjournalist Rainer Wälde aus Frielendorf bei Kassel

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